Warum Werte mehr sind als schöne Worte an der Bürowand
- Marc Borst
- 19. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 2. Okt.

Im vorherigen Beitrag habe ich beschrieben, was Werte sind und wie sie als innerer Kompass funktionieren. Doch es gibt einen großen Unterschied zwischen dem theoretischen Wissen über Werte und deren praktischer Umsetzung im Arbeitsalltag. Werte, die nur auf Plakaten in Konferenzräumen stehen oder in Unternehmensbroschüren beschrieben werden, bleiben kraftlos. Erst wenn sie in konkreten Entscheidungen und täglichen Handlungen spürbar werden, entwickeln sie ihre transformierende Kraft. Schauen wir uns genauer an, wie sich echte Werte von Lippenbekenntnissen unterscheiden und warum sie im Beratungsalltag den entscheidenden Unterschied machen.
Wenn Werte auf die Realität treffen
Werte zeigen ihre wahre Natur erst unter Stress oder in schwierigen Situationen. Du magst Ehrlichkeit als wichtigen Wert benennen, aber was passiert, wenn ein Kunde nach einem Termin fragt, den Du eigentlich nicht einhalten kannst? Sagst Du die Wahrheit oder findest Du eine diplomatische Ausrede? Diese kleinen Alltagsmomente enthüllen, ob Werte tatsächlich verinnerlicht sind oder nur schöne Theorie bleiben.
In der Beratung erlebst Du solche Situationen häufig. Ein Projekt läuft nicht wie geplant, der Kunde ist unzufrieden, oder Du stehst vor einer Entscheidung, die kurzfristig unbequem ist, aber langfristig richtig. Hier zeigt sich, ob Deine Werte nur Dekoration sind oder echte Leitplanken bilden. Menschen spüren sehr schnell, ob jemand authentisch handelt oder nur Rollen spielt.
Der Unterschied zwischen gepredigten und gelebten Werten
Viele Unternehmen hängen Werte wie "Vertrauen", "Innovation" oder "Kundenorientierung" an die Wand. Doch wenn die gleichen Unternehmen ihre Mitarbeiter unter Druck setzen, unrealistische Versprechungen zu machen, oder wenn Führungskräfte selbst nicht nach diesen Werten handeln, entstehen Wertekonflikte. Diese Diskrepanz spüren alle Beteiligten, auch die Kunden.
Als Berufseinsteiger in der Beratung begegnest Du möglicherweise solchen Widersprüchen. Vielleicht wirst Du ermutigt, "authentisch" zu sein, während gleichzeitig erwartet wird, dass Du bestimmte Verkaufsziele erreichst, auch wenn das gegen Dein Gefühl geht. Diese Spannungen sind normal, aber sie fordern Dich heraus, Deine eigenen Werte zu klären und zu leben.
Werte als Entscheidungsfilter im Arbeitsalltag
Echte Werte funktionieren wie ein Filter für Entscheidungen. Stell Dir vor, Du bewertest jede wichtige Entscheidung anhand Deiner Kernwerte: Unterstützt diese Wahl das, was mir wirklich wichtig ist? Bringt sie mich meinen Zielen näher? Fühlt es sich stimmig an?
Ein Beispiel: Du hast den Wert "Wachstum" identifiziert. Ein Kunde bietet Dir ein Projekt an, das gut bezahlt wird, aber fachlich nichts Neues bietet. Ein anderer Auftrag zahlt weniger, würde Dir aber neue Fähigkeiten vermitteln. Mit Deinem Wert als Filter wird die Entscheidung klarer. Du weißt, was langfristig mehr zu Dir passt.
Diese Art der wertebasierten Entscheidungsfindung stärkt nicht nur Deine Zufriedenheit, sondern auch Deine Glaubwürdigkeit. Kunden merken, wenn jemand aus innerer Überzeugung handelt statt aus reiner Opportunität.
Wie sich Werte in der Kundenbeziehung zeigen
Deine Werte prägen, wie Du mit Kunden umgehst, ohne dass Du Dir dessen bewusst bist. Wenn Respekt zu Deinen Grundwerten gehört, hörst Du aufmerksamer zu, gehst auf Einwände ein und behandelst auch schwierige Kunden fair. Wenn Ehrlichkeit wichtig für Dich ist, sprichst Du Probleme offen an, statt sie zu verschleiern.
Diese Authentizität schafft Vertrauen. Kunden arbeiten lieber mit Berater*innen zusammen, die klar erkennbare Prinzipien haben und danach handeln. Das bedeutet nicht, dass Du immer perfekt bist, sondern dass Du erkennbar nach Deinen Überzeugungen lebst.
Werte in Konfliktsituationen
Besonders deutlich werden Werte, wenn sie aufeinanderprallen. Du schätzt sowohl Harmonie als auch Ehrlichkeit. Was machst Du, wenn ehrliches Feedback die Beziehung zum Kunden belasten könnte? Solche Dilemmata sind Teil des Berufslebens und zeigen, wie wichtig es ist, eine Rangfolge Deiner Werte zu kennen.
Im Coaching lernst Du, solche Wertekonflikte zu erkennen und konstruktiv zu lösen. Oft gibt es kreative Wege, mehrere Werte gleichzeitig zu berücksichtigen. Du kannst ehrlich sein und trotzdem respektvoll kommunizieren.
Fazit
Werte sind kein Schmuck für Präsentationsfolien oder Bürowände. Sie sind praktische Werkzeuge für ein erfülltes und erfolgreiches Berufsleben. In der Beratung, wo Beziehungen und Vertrauen entscheidend sind, machen gelebte Werte den Unterschied zwischen oberflächlichen Geschäftsbeziehungen und echten, langfristigen Partnerschaften.
Der Weg von der Wertekenntnis zur Wertepraxis braucht Zeit und bewusste Entscheidungen. Doch jeder Schritt in diese Richtung stärkt Deine Authentizität und damit Deine Wirkung als Berater*in. Deine Werte werden zu Deinem Markenzeichen, lange bevor Du Dir dessen bewusst bist.



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